Phagentherapie bei Lungenentzündung und Entzündungsreaktion

„Unterstützt durch die jahrelange klinische Anwendung in einigen Ländern und in jüngerer Zeit durch Literatur zu Versuchsmodellen sowie die mitfühlende Anwendung in Europa und den USA bietet die Bakteriophagen- (Phagen-) Therapie eine Lösung für schwer zu behandelnde bakterielle Infektionen. Studien zur Auswirkung solcher Behandlungen auf den Wirt sind jedoch noch rar.

Methoden

Akute Lungenentzündung bei Mäusen, die durch intranasale Instillation von zwei pathogenen Stämmen von Escherichia coli (536 und LM33) ausgelöst wurde, wurde mit zwei spezifischen Bakteriophagen (536_P1 und LM33_P1; intranasal) oder Antibiotika (Ceftriaxon, Cefoxitin, Imipenem-Cilastatin; intraperitoneal) behandelt. Gesunde Mäuse erhielten auch nur Phagen. Der Schweregrad des Lungenödems, akute entzündliche Zytokine (Blut- und Lungenhomogenisate), vollständiges Blutbild, Bakterien- und Bakteriophagenzahlen wurden zu frühen (≤ 12 h) und späten (≥ 20 h) Zeitpunkten erhalten. (…..)

Ergebnisse

Die Wirksamkeit von Bakteriophagen zur Verringerung der Bakterienlast war schneller als die von Antibiotika, beide zeigten jedoch ähnliche Endpunkte. Die Behandlung mit Bakteriophagen war nicht mit einer Überentzündung verbunden, neigte jedoch im Gegensatz dazu zu einer geringeren Entzündung und ermöglichte eine schnellere Korrektur von Anomalien der Blutzellzahl im Vergleich zu Antibiotika. In Abwesenheit einer bakteriellen Infektion förderte der Bakteriophage 536_P1 einen schwachen Anstieg der Produktion von antiviralen Zytokinen (INF-γ und IL-12) und Chemokinen in der Lunge, jedoch nicht im Blut. Solche Variationen wurden jedoch nicht mehr beobachtet, wenn Bakteriophage 536_P1 zur Behandlung infizierter Tiere verabreicht wurde.

Schlussfolgerungen

Die schnelle Lyse von Bakterien durch Bakteriophagen in vivo erhöht die angeborene Entzündungsreaktion im Vergleich zur Antibiotikabehandlung nicht.“

 

Quelle:

Nicolas Dufour, Raphaëlle Delattre, Anne Chevallereau, Jean-Damien Ricard und Laurent Debarbieux

Die Phagentherapie der Lungenentzündung ist im Vergleich zur Antibiotikabehandlung bei Mäusen nicht mit einer Überstimulation der Entzündungsreaktion verbunden

https://aac.asm.org/content/early/2019/06/04/AAC.00379-19

Antimikrobielle Wirkstoffe und Chemotherapie, Juni 2019, AAC.00379-19. DOI: 10.1128 / AAC.00379-19

Therapeutisches Potenzial von Phagen bei autoimmunen Lebererkrankungen

Autoimmune Lebererkrankung (ALD) stellt eine schwierige medizinische Herausforderung dar, da es eine beträchtliche Anzahl von Patienten gibt, bei denen die derzeitige Therapie einen fragwürdigen oder keinen Nutzen bietet, die Nebenwirkungen jedoch schwerwiegend sein können, einschließlich der Entwicklung von Malignität. Bakterienviren (Phagen) werden zunehmend als Immunmodulatoren erkannt, die zur Immunhomöostase beitragen und Entzündungen eindämmen. Akkumulierende Daten legen nahe, dass Phagen bei der Immuntherapie von ALD nützlich sein können. Es wurde gezeigt, dass Phagen die Expression und / oder Produktion und Aktivität von Faktoren, die mit einer Leberschädigung verbunden sind, herunterregulieren [reaktive Sauerstoffspezies, Aktivierung des Toll-like-Rezeptors (TLR) 4, Aktivierung des Kernfaktors Kappa B (NF-KB),

A. Górski, E. Jończyk-Matysiak, M. Łusiak-Szelachowska, B. Weber-Dąbrowska, R. Międzybrodzki und J. Borysowski
Therapeutisches Potenzial von Phagen bei autoimmunen Lebererkrankungen
Clin Exp Immunol. 2018 Apr; 192 (1): 1–6. doi: 10.1111 / cei.13092

Bakteriophagen versus Antibiotikatherapie an Darmbakteriengemeinschaften bei grünen Meeresschildkröte

Grüne Meeresschildkröten sind vom Aussterben bedrohte pflanzenfressende Hinterdarmfermenter, die zu einer Vielzahl von Meeresökosystemen beitragen. In Schildkrötenkrankenhäusern werden geschwächte Schildkröten oft rehabilitiert. Da die genaue Diagnose einer Krankheit schwierig ist, werden Breitspektrum-Antibiotika routinemäßig als allgemeine Behandlung eingesetzt, wodurch möglicherweise das Darmmikrobiom des Patienten kollateral geschädigt wird. Hier haben wir das Konzept der Anwendung von Bakteriophagen (Phagen) zur Eliminierung gezielter Darmbakterien als Alternative zu einem Breitbandantibiotikum (Enrofloxacin) bei klinisch gesunden, in Gefangenschaft gehaltenen grünen Meeresschildkröten evaluiert. Zusätzlich wurde der Einfluss eines Breitbandantibiotikums (Enrofloxacin) und einer Phagentherapie auf die Darmbakteriengemeinschaften von grünen Meeresschildkröten untersucht. Darmbakteriengemeinschaften in Stuhlproben wurden durch Sequenzieren der V1-V3-Regionen der bakteriellen 16S-rRNA analysiert. Bakterienspezifische Phagencocktails (P <0,05) reduzierten gezielt Acinetobacter in mit Phagen behandelten Schildkröten während der Therapie signifikant. Im Vergleich zur Kontrolle wurde bei phagenbehandelten Schildkröten kein signifikanter Unterschied in der Bakterienvielfalt und -zusammensetzung festgestellt. Im Gegensatz dazu war die Bakterienvielfalt bei mit Antibiotika behandelten Schildkröten am 15. Tag und während des gesamten Versuchs signifikant (P <0,05) verringert. Die Veränderung der bakteriellen Mikrobiota von Schildkröten, die mit Antibiotika behandelt wurden, war größtenteils auf eine Zunahme der Häufigkeit von grampositiven Firmicutes und eine gleichzeitige Abnahme von gramnegativen Bacteroidetes, Proteobakterien und Verrucomicrobia zurückzuführen. Zusätzlich, Wir beobachteten, dass die relative Häufigkeit mehrerer Bakterien auf niedrigerem taxonomischen Niveau von Phagen viel weniger beeinflusst wurde als von Antibiotika. Diese Daten bieten den Nachweis des Konzepts der Phagentherapie zur Manipulation der transienten sowie der einheimischen Bakterienflora bei darmbedingter Dysbiose von Schildkröten.

Quelle:
Md. Shamim Ahasan, Robert Kinobe, Lisa Elliott, Leigh Owens, Jenni Scott, Jacqueline Picard, Roger Huerlimann, Ellen Ariel

Bakteriophagen- versus Antibiotikatherapie an Darmbakteriengemeinschaften der grünen Meeresschildkröte Chelonia mydas

Environmental Microbiology (2019), Erstveröffentlichung: 29. April 2019,
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/1462-2920.14644

Bakterienkiller in der Klinik

Weil sie eine Ergänzung zu Antibiotika darstellen könnten, arbeiten Forscher weltweit mit Bakteriophagen, bakterienbefallenden Viren. Die ersten Präparate mit den Bakterienkillern befinden sich bereits in der klinischen Entwicklung. Auch in Deutschland soll demnächst eine Studie anlaufen.

Immer häufiger versagen Antibiotikatherapien, weil die krankheitsverursachenden Bakterien Resistenzen entwickelt haben. Mit fatalen Folgen: Allein in den USA sterben jedes Jahr etwa 23.000 Menschen an Infektionen mit multiresistenten Erregern. Auch in der EU gingen einer aktuellen Publikation zufolge im Jahr 2015 etwa 33.000 Todesfälle auf das Konto multiresistenter Pathogene (DOI: 10.1016/S1473-3099(18)30605-4). Die zwölf gefährlichsten Erreger fasste die Weltgesundheitsorganisation WHO 2017 auf einer Liste zusammen. Auf dieser befinden sich neben resistenten Stämmen von Acinetobacter baumannii und Pseudomonas aeruginosa auch Enterococcus faecium, Staphylococcus aureus sowie Helicobacter pylori.

Aufgrund der ernsten Resistenzlage suchen Wissenschaftler nach neuen Wegen, gefährliche Pathogene wie diese zu beseitigen. Hier können Viren Verbündete werden. Denn spezielle Viren, sogenannte Bakteriophagen, infizieren hochspezifisch Stämme einer bestimmten Bakterienart, nutzen diese für ihre Reproduktion und töten sie. Die Viren sind überall vorhanden, wo es warm und feucht ist: in Tümpeln, Flüssen und Meeren, aber auch im Darm von Menschen und Tieren oder auf Schleimhäuten. Sie sind die am stärksten verbreiteten Organismen auf der Erde.

In Einzelfällen werden die Bakterienkiller bereits therapeutisch eingesetzt. So berichtete im Mai ein Forscherteam aus London und Pittsburgh im Fachjournal »Nature Medicine« von einer personalisierten Phagentherapie mit genetisch veränderten Viren zur Behandlung einer Infektion mit antibiotikaresistenten Mykobakterien bei einem jungen Mädchen mit Mukoviszidose (DOI: 10.1038/s41591-019-0437-z). Die Patientin erhielt bereits seit acht Jahren Antibiotika aufgrund der chronischen Besiedlung mit Mycobacterium abscessus. Da der Keim auf keine Antibiotika mehr ansprach, entschieden sich die behandelnden Ärzte dazu, nach geeigneten Phagen zu suchen und wurden in einer Phagen-Sammlung fündig: Sie stellten einen Cocktail aus drei Bakteriophagen zusammen, von denen sie einen gentechnisch so veränderten, dass er lytisch wirkte, also die Bakterienzellen zum Platzen bringt. Durch die Behandlung mit dem Cocktail konnten die Ärzte die Infektion rasch in den Griff bekommen.

Aufwind für Phagenforschung
Durch einzelne Fälle wie diesen bekommt die Phagenforschung Aufwind. Phagentherapien waren in der präantibiotischen Ära in Europa und den USA weit verbreitet gewesen, hatten aber durch die Entdeckung von wirksamen Antibiotika im Westen rasch an Bedeutung verloren. Im Osten Europas und in Russland werden die Therapien bis heute eingesetzt. Seit dem Jahr 2000 etwa wurde das Forschungsgebiet im Westen wiederbelebt, angetrieben durch die Antibiotikakrise aber auch durch die neuen Möglichkeiten, die die Sequenziertechnologien bieten, berichtet Charles Schmidt in einem Übersichtsartikel in »Nature Biotechnology« (DOI: 10.1038/s41587-019-0133-z). Universitäten in den USA gründen Forschungszentren und legen umfangreiche Phagen-Bibliotheken an. So ging 2018 das Center for Innovative Phage Applications und Therapeutics (IPATH) der University of California in San Diego an den Start und seit 2010 besteht das Center for Phage Technology (CPT) an der Texas A&M University in College Station. Die größte Phagen-Bibliothek ist aber an der University of Pittsburgh zu finden. Sie umfasst 15.000 Isolate, von denen 3000 vollständig sequenziert sind. Aus dieser Sammlung stammten auch die drei Phagen, die bei der Mukoviszidose-Patientin eingesetzt wurden.

Schmidt zufolge werden Phagen-Bibliotheken derzeit mit Anfragen für schwer kranke Patienten, bei denen Antibiotika nicht mehr wirken, bestürmt. Wenn geeignete Varianten gefunden werden, können diese mit einer Art Sondergenehmigung der US-Zulassungsbehörde FDA als »Emergency Investigational New Drug« eingesetzt werden. Statt Einzelfälle zu therapieren, gibt es aber auch Bestrebungen phagen-basierte Präparate als Arzneimittel zur Zulassung zu bringen. »Eine erste Welle von klinischen Studien« rolle an, schreibt Schmidt.

Bei der Entwicklung solcher Arzneimittel gebe es prinzipiell zwei Strategien, die von der Diversität des Ziel-Bakteriums abhängen: Bei Erregern mit niedriger Diversität wie Staphylococcus aureus könne man fixe Cocktails mit drei bis vier Phagen entwickeln, die produziert und gelagert werden können wie andere Arzneimittel auch. Für genetisch sehr diverse Arten wie Acinetobacter baumannii sei dieser Ansatz nicht geeignet, weil sonst zu viele Phagen kombiniert werden müssten, die miteinander interagieren können. Hier ist ein individueller Ansatz, also die Auswahl von geeigneten Phagen für jeden Patienten, nötig.

Quelle und mehr Infos: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/bakterienkiller-in-der-klinik/